Gedanken zur Erfordernis von Baukostenregionalfaktoren

05.01.2018, Christian Sauerborn - Mit der Sachwertrichtlinie wurde das damals zumeist doch als sehr leidig empfundene Thema der Anwendung sogenannter Baukostenregionalfaktoren ad acta gelegt. Mit dem sich allmählich mehr und mehr durchgesetzten Verständnis der „modellkonformen Wertermittlung“ hatten diese Faktoren augenscheinlich ausgedient. Der Sachwertfaktor regelt das seitdem. Ganz abgesehen davon, trauten viele Sachverständigen den vorher noch häufig angewendeten Faktoren des BKI nicht mehr so richtig. Es war also Zeit für etwas Neues.

Ich muss gestehen, diese Entscheidung seinerzeit voll unterstützt zu haben. Reizvoll war die Vorstellung, alle in Deutschland abgeleiteten Sachwertfaktoren würden auf der Basis der gleichen NHK-Tabellen abgeleitet werden und wären somit zumindest in dieser Hinsicht direkt miteinander vergleichbar. Ein großer Schritt in Richtung erhöhter Transparenz und vereinfachter Anwendung.

Praktisch haben wir dann jedoch recht schnell Schwierigkeiten in Bereichen der Immobilienbewertung festgestellt, die nicht unmittelbar an die ImmoWertV gebunden sind. Vor allem bei Versicherungswertermittlungen, steuerlichen Wertermittlungen oder Bewertungen für kreditwirtschaftliche Zwecke haben sich „Kollateralschäden“ dieser Entscheidung gezeigt. Für alle diese Wertermittlungszwecke ist es aus unterschiedlichen Gründen von großer Bedeutung, möglichst regional übliche Baukosten zu verwenden. Hier heilt der Sachwertfaktor gerade nicht alle Unzulänglichkeiten der verwendeten NHK-Tabellen, so wie es bei der Marktwertermittlung gemäß ImmoWertV der Fall ist. Es ist in diesen Bewertungen vielmehr von größerer Bedeutung, dass die marktkonformen Sachwertfaktoren um die 1,0, also idealerweise vielleicht im Bereich von 0,85 bis 1,15 liegen.

In vielen nachgefragten Regionen Deutschlands liegen die Verhältnisse zwischen Kaufpreis und vorläufigem Sachwert allerdings oftmals weit darüber. In unseren eigenen Kaufpreisanalysen und den Marktberichten einzelner Gutachterausschüsse finden sich problemlos Faktoren von 1,8 und darüber.

Theoretisch bedeutet diese Zahl, dass jemand bereit wäre, 80% mehr zu zahlen, als die Substanz eigentlich wert ist. Praktisch ist dem aber natürlich nicht so, da die verwendeten Herstellungskosten aus den NHK 2010 in diesen Fällen oftmals einfach weit unter den regional üblichen liegen. Würde man die örtlich zutreffenden Baukosten ansetzen, näherten sich die Sachwertfaktoren auch wieder an die Zielgröße 1,0 an. Die Stadt München macht das z.B. vor, indem sie die NHK 2010 um mehr als 40% anhebt, mit dem Effekt immer noch hoher, im Mittel gegenüber der Anwendung nicht regionalisierter NHK aber immerhin akzeptabler Sachwertfaktoren.

Nun könnte man einwenden, dass ja niemand und vor allem nicht die genannten „Problemgebiete“ gezwungen sind, die NHK 2010 anzuwenden oder sich überhaupt an die Sachwertrichtlinie zu halten. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die andere Sicht ist, dass die Sachwertrichtlinie und zukünftig die ImmoWertR – zum Glück – eine Art „Stand der Technik“ repräsentieren, auf den sich in Streitfällen zurückgezogen wird. Es ist also praktisch nur schwierig zu erklären, zumindest jedoch mit einem sehr hohen Aufwand verbunden, wollte man davon abweichende Herstellungskosten verwenden. Daher denke ich, es ist sinnvoll und zweckmäßig, in der neuen ImmoWertR für alle diese Anwendungsgebiete möglichst brauchbare Daten und Wege vorzugeben.

Auch vor dem Hintergrund, für den Leser plausible und nachvollziehbare Gutachten erstellen zu wollen, halte ich den Weg der Baukostenregionalisierung – zumindest in den aktuellen Zeiten sich stark verändernder Immobilienpreise – für besser geeignet als den uniformen Ansatz gleicher NHK für ganz Deutschland. Dass dieser Weg praktisch nicht so einfach zu gehen sein wird, wie die gravierenden Probleme mit den Regionalfaktoren des BKI ja zeigen, ist offensichtlich. Nichtsdestotrotz halte ich es für lohnenswert, in diese Richtung zu forschen.

Vielleicht als Randnotiz zu diesem Thema: Auch die Bodenrichtwerte bedürfen an der ein oder anderen Stelle in Deutschland sicherlich einer kritischen Überprüfung. Denn, unterstellt man „fehlerfreie NHK“, „fehlerfreie Baukostenregionalfaktoren“, „fehlerfreie Bodenrichtwerte“ (die es alle nicht gibt), gepaart mit „wirtschaftlich handelnden Marktteilnehmern“, sollten sich die Sachwertfaktoren tatsächlich in dem oben genannten engen Bereich um die 1,0 bewegen. Bei den aktuellen Immobilienpreisen wird sich das meiner Erfahrung nach vielerorts aber auch mit den besten Baukostenregionalfaktoren alleine nicht hin bekommen lassen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Bodenrichtwerte nicht mehr überall mit der tatsächlichen Marktentwicklung mithalten.