Vier Beratungstipps rund um das barrierefreie Bad

Es muss kein Widerspruch sein, dass ein Bad sicher und barrierefrei und dennoch sehr komfortabel und schön ist. Als Experte für Barrierefreiheit können Sie hier neue Umsatzfelder generieren. Erfahren Sie, wie Sie Ihre Kunden mit Kompetenz überzeugen.

Tipp 1: Normen und Empfehlungen im Blick haben

Für den Neubau gelten andere Regeln als für den Umbau im Bestand; bei Mehrfamilienhäusern andere Vorschriften als beim Einfamilienhaus. Beim Neubau ist immer ein Blick in die jeweilige Landesbauordnung interessant, die bestimmte Mindeststandards – insbesondere beim Bau von Mehrfamilienhäusern – vorschreibt. Weit darüber hinaus gehen die Empfehlungen der DIN 18065; hier werden sehr konkret Maßnahmen beschrieben, etwa dazu, wie hoch ein Waschbecken angebracht wird oder wie viel Platz fürs Wenden im Bad sein sollte. Das Problem: Ob das dann im Bestand immer alles so möglich ist, steht auf einem anderen Blatt – hier sind individuelle Lösungen gefragt und Ihre Beratungskompetenz.

Tipp 2: Über Möglichkeiten informieren

Es gibt nahezu unendlich viele Möglichkeiten, ein Bad barrierefrei und dennoch mit Wohlfühlcharakter zu gestalten. Und die Hersteller sind innovativ, ständig gibt es Veränderungen. Versorgen Sie sich also mit Inspirationen. Ein guter Termin hierfür ist zum Beispiel die ISH in Frankfurt/Main. Natürlich macht es auch Sinn, wenn Sie sich mit den Katalogen der wichtigsten Hersteller bemustern lassen. Ein echter Pluspunkt ist es, wenn Sie Ihren Kunden auch gleich Handwerker nennen können, die für die jeweiligen Hersteller vor Ort tätig sind – fragen Sie hier gezielt nach.

Tipp 3: Angebote einholen

Als ImmoBarrierefrei-Experte spielen Sie Ihre Kompetenz besonders gut aus, wenn Sie Ihren Kunden auch gleich konkrete Angebote über mögliche Leistungen vorlegen können. Um sich vom individuellen Handwerkerangebot abzugrenzen, sollten Sie bewusst mehrere Angebote vorlegen – und hier die jeweiligen Vor- und Nachteile schildern. Sehr gut ist es, wenn Sie schon über eigene Erfahrungswerte mit Sanitär-Handwerkern verfügen. Ist dies nicht der Fall, so sollten Sie in jedem Fall jeden Handwerker einem ausführlichen Seriositätscheck unterziehen, sich also zum Beispiel Referenzen vorweisen lassen und diese auch kontrollieren. Denn: Wenn Sie Ihre Kunden hier beraten, sind Sie zwar nicht zwangsläufig für die schlechte Arbeit eines Handwerkers zuständig – übel nehmen Ihnen Ihre Kunden eine schlechte Empfehlung dennoch. Ein fast naheliegender Schritt ist es, wenn Sie dann später auch Kompetenzen in der Begleitung solcher Maßnahmen aufbauen. Beachten Sie hier aber, dass sich dafür auch weitere Kompetenz- und Haftungsfragen ergeben.

Tipp 4: Fördermittel empfehlen

Der Umbau eines Bades ist sehr teuer. Deshalb ist es für Ihre Kunden sehr hilfreich, wenn sie einen Überblick über die verschiedenen Förderangebote haben. Dazu gehören die Kredite und Zuschüsse der KfW, die Leistungen der Pflegekassen, Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung bzw. weitere für die berufliche Rehabilitation zuständige Institutionen– aber auch auf Ebene der Bundesländer und Kommunen gibt es oftmals spezielle Förderprogramme für Barrierefreiheit. Im Idealfall haben Sie sich mit den Antragsunterlagen vertraut gemacht und können Ihren Kunden bei der Beantragung helfen – oder sie dabei sogar begleiten.

„Barrierefreiheit darf nicht nur ‚nice to have‘ sein"

Barrierefreiheit verbinden viele Menschen mit Altenheimatmosphäre. Dass dies dem Thema nicht gerecht wird, sagt der Architekt und Mitherausgeber des „Atlas barrierefrei bauen“, Lutz Engelhardt, im Sprengnetter-Interview. Er gibt Tipps zur Kosten-Nutzen-Analyse – und was beim Neubau beVier Beratungstipps rund um dasachtet werden sollte.

Herr Engelhardt, Barrierefreiheit begegnet Menschen im Alltag vor allem an zwei Stellen: im Altenheim oder Krankenhaus und am Aufzug zur Bahn – in ihrer Privatsphäre wollen sich viele Menschen damit nicht beschäftigen ...


Das stimmt, Barrierefreiheit hat nach wie vor ein Imageproblem. Einerseits sind die barrierefreien Lösungen im Krankenhaus – positiv ausgedrückt – eher sehr funktional. Das kann sich niemand für sein eigenes Schlafzimmer und Bad wirklich vorstellen. Andererseits ist das Thema „Altern“ ohnehin ein schwieriges Thema, mit dem man sich ungern auseinandersetzt. Dabei wäre es wichtig, denn wer sich frühzeitig damit auseinandersetzt, ist gewappnet – und muss nicht später im Alter aufwendig umbauen.


Frühzeitig? Etwa schon mit dem Hausbau?


Ganz genau. Zwar geben verschiedene Landesbauordnungen schon bestimmte Mindeststandards für die bauliche Barrierefreiheit im Neubau vor, verpflichtend sind diese jedoch nur bei Mehrfamilienhäusern ab einer bestimmten Anzahl von Wohnungen. Diese reichen aber längst nicht. Beispiel „Einfamilienhaus“. Hier ist eigentlich nichts verbindlich geregelt. Es macht aber Sinn, schon bei der Planung an die stufen- und schwellenfreie Erreichbarkeit, an ausreichend große Bewegungsflächen und Außen- und Innentüren zu denken.


Widerspricht das nicht dem Wunsch, sich ein „schönes Zuhause“ zu bauen?


Das mindert überhaupt nicht die Qualität des Baus, hat absolut nicht den Charme von Krankenhaus. Die Industrie bietet uns schon seit vielen Jahren barrierefreie Lösungen in hochwertigem Design an. Die vorausschauende Planung macht einen späteren barrierefreien Umbau – eher eine Erweiterung – viel einfacher und deutlich kostengünstiger. Das Problem ist hier vor allem die Unwissenheit, nicht nur beim Bauherren, sondern auch bei den Planern.


Haben denn die Architekten das Thema „Barrierefreiheit“ im Blick?


In zunehmendem Maße, ja! Es muss jedoch noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Architekten haben immer die Landesbauordnung im Blick, weniger die darüber hinausgehenden Erfordernisse des Lebens im Alter. Die Aufgabe der Zukunft besteht darin, individuelle Lösungen zu finden, dass jeder die über Jahre lieb gewonnenen „eigenen vier Wände“ auch im Alter nutzen kann. Ist dies nicht möglich, müssen Wohnungen gefunden werden, die den individuellen Anforderungen des Einzelnen genügen. Hier sind insbesondere die Immobilienmakler gefragt, ihr Wissen einzubringen. Barrierefreiheit darf nicht mehr nur „nice to have“ sein. Viele Wohnungsunternehmen haben sich auf den stetig zunehmenden Altersdurchschnitt ihrer Mieter eingestellt.


Dann haben die Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt?


Sie machen regelmäßig Analysen und wissen, wie alt ihre Mieter sind, welche individuellen Pflegegrade sie haben. Sie sehen den allgemeinen demografischen Trend und den Bedarf – es fehlen nach einer Statistik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes derzeit etwa 1,6 Millionen barrierefreie Wohnungen. Und sie investieren deshalb häufig über die Mindestanforderungen hinaus, bauen einen Neubau zum Beispiel komplett mit allen Wohnungen barrierefrei, obwohl die Landesbauordnung das gar nicht vorschreibt. Es ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung.


In der Tat, es kann sehr teuer werden. Lohnt sich das überhaupt?


Das kann man pauschal gar nicht beantworten. Denn gerade beim Umbau ist es sehr wichtig, die individuellen Anforderungen und auch die Situation vor Ort im Blick zu haben. So macht es einen großen Unterschied, ob eine Wohnung rollstuhlgerecht umgebaut werden muss – oder ob es einfach um mehr Sicherheit im Alltag geht. Oftmals ist die Situation aber akut: Es muss sehr schnell eine Lösung gefunden werden. Für die Betroffenen stellt sich in solchen Momenten die sehr schwierige und hochemotionale Frage: Kann ich noch allein in meinen eigenen vier Wänden wohnen? „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, sagt ein altes Sprichwort. Die Kombination aus Dringlichkeit und hoher Emotionalität macht den Umbau nicht gerade billiger. Es stellt sich hier aber oft für den Betroffenen gar nicht die Frage der Ökonomie.


Wie denken denn die Vermieter?


Hier sieht es anders aus: Ein intelligentes Modell ist es hier, sich ganz bewusst an den Kosten seiner Mieter zu beteiligen, damit diese länger in der Wohnung bleiben können. Und damit gleichzeitig die Attraktivität der Mietwohnung für die Zielgruppe der älteren Menschen deutlich zu erhöhen. Zudem: Es gibt sehr attraktive Förderprogramme, auch die Pflegekasse gibt eventuell Zuschüsse, das reduziert dann die Kostenseite. Das zeigt aber auch: Eine kompetente, ganzheitliche Beratung zum Beispiel durch einen Barrierefrei-Experten ist hier – gerade in einer solchen Akutsituation – das A und O. Generell gilt natürlich: Ein Umbau ist immer wesentlich teurer als eine Beachtung gewisser Standards bereits beim Neubau.


Wo sehen Sie die Zukunft der Barrierefreiheit?


Sie ist bereits Realität. Das Sanitär-Handwerk macht seit Jahren sehr gut vor, wie sich Barrierefreiheit sehr smart vermarkten lässt: das Bad als (barrierefreie) Wohlfühloase. Die niveaugleiche Dusche ist heute beim Neubau Standard, im Bestand gibt es hier diverse Lösungen. Höhenverstellbare und unterfahrbare Waschbecken gibt es in allen erdenklichen Designausstattungen. Mit den Fliesen und der Lichtsetzung werden außerordentlich atmosphärische – und dennoch sichere –Bäder realisiert. Und wer mitdenkt, hat beim Umbau des Bades gleich spezielle Verankerungen in der Wand vorgesehen, an der bei Bedarf einfach Griffsysteme nachgerüstet werden können – eben erst dann, wenn der Bedarf da ist. Das wäre eine gute Zukunftsperspektive auch für den Rest des Hauses: Wo nötig, wird in der Substanz schon an eine schnelle Nachrüstung gedacht. Wo es ohnehin den Komfortaspekt anspricht – Stichwort „Smart Home“ –, ist meist nicht viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Über Ulrike Jocham:
Die Dipl.-Ing. in Architektur, Heilerziehungspflegerin und Bausachverständige für Schäden an Gebäuden (DESAG) sowie für Barrierefreiheit, Universal Design, Inklusion und Nullschwellen ist als interdisziplinäre Beraterin, Seminarleiterin, Referentin und Autorin tätig. Für Barrierefreiheit setzt sie sich bereits seit über 25 Jahren ein. Als Ingenieurin kennt sie technische Lösungen für Barrierefreiheit und als Heilerziehungspflegerin weiß sie, welche Bedarfe an Immobilien aufgrund von unterschiedlichen Einschränkungen im Alter oder bei verschiedenen Behinderungsarten entstehen. Als Expertin für demografietaugliche und inklusive Wohnprojekte versteht sie nicht nur die baurechtlichen Aspekte der Barrierefreiheit, sondern auch die sozialrechtlichen – was einen großen Vorteil für mögliche Förderungen von z.B. Wohnraumanpassungsmaßnahmen beinhaltet. Durch ihre interdisziplinäre Vermittlungstätigkeit ist es ihr bereits gelungen, die rechtlichen Anforderungen an eine schwellenfreie und sturzpräventive Architektur zu optimieren.

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