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Wirtschaftsweisen kritisieren: Valide Marktdaten für wirksame Aufsicht über Immobilienkreditvergabe nicht vorhanden

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sein Jahresgutachten 2018/2019 vorgelegt. Darin beschäftigt er sich intensiv mit möglichen Auswirkungen des Immobilienmarkts und seiner Finanzierung auf die Finanzmarktstabilität in Deutschland. Er reklamiert außerdem Defizite bei der Finanzaufsicht.

Das Positive vorweg: Die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweisen") sehen aktuell keine Gefährdung der Finanzmarktstabilität in Deutschland durch die Entwicklungen am Immobilienmarkt. So lautet das Fazit ihres Jahresgutachtens, dass sie am 7. November 2018 in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben haben.

Abbau von Regulierungen für mehr Bautätigkeit sinnvoll
Da der gesamte Immobilienmarkt derzeit von einer hohen Preisdynamik gekennzeichnet ist, seien aber Maßnahmen zur Ausweitung des Angebots angezeigt. Dieses wachse zurzeit nur moderat. Als wirksames Mittel fordert der Bericht den Abbau von Regulierungen. Die Mietpreisbremse setze nur an den Symptomen an und sei nicht zielführend. Auch sei eine Stärkung des Wohngelds und eine bessere Ausgestaltung des sozialen Wohnungsbaus wünschenswert. Der Abbau von Bauvorschriften bewirke zudem eine Senkung der Herstellungskosten im Baugewerbe – und damit ebenfalls mehr Bautätigkeit.

Eigenen Vorschlag für Reform der Grundsteuer eingebracht
Sinnvoll seien auch die Reformen der Grund- und Grunderwerbsteuer. Hier spricht sich der Sachverständigenrat für eine hybride Lösung aus. Sein eigener Ansatz beruht auf dem bereits bekannten Flächenmodell, d.h. einer Differenzierung der Grundstücks- und Gebäudefläche nach Wohn- oder Gewerbezweck. Dieses soll um weitere Kriterien ergänzt werden, "die den Zweck der Nutzung oder die Lage der Immobilie abbilden".

Die von der Koalition beschlossene Grundsteuer C zählen die Wirtschaftsweisen in der jetzt geplanten Ausgestaltung ausdrücklich nicht zu den wirksamen Maßnahmen. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers, spekulatives Marktverhalten mit baureifen Grundstücken zu verhindern, sei damit nicht zu erreichen. Das Verhältnis von erzielbaren Wertsteigerungen zur Höhe der fälligen Strafsteuer bei Missachtung sei zu niedrig angesetzt.

"Auch das von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagene, modifizierte Flächenmodell halte ich aus vielerlei Gründen nicht für geeignet", kommentiert Dr. Hans Otto Sprengnetter, Gründer von Sprengnetter und Autor zahlreicher Standardwerke, Lehrbücher und Kommentare für Immobilienbewertung. "Beim Flächenmodell sehe ich vor allem ein grundsätzliches Problem. Es stellt sich hier die Gerechtigkeitsfrage, denn in diesem Modell wird die Grundsteuerlast zu Ungunsten von, gemessen an Lage und Gebäude, geringerwertigen Grundstücken verschoben."

Lesen Sie dazu auch in unserem Wissensportal das Top-Thema "Grundsteuerreform". Was hinter den diskutierten Modellen steckt, erfahren Sie in dem dortigen Beitrag "Reform der Grundsteuer" von Dr. Hans Otto Sprengnetter.

Überbewertungen, aber weiterhin keine Blase in Deutschland
Ein erkennbares Risiko für die Finanzmarktstabilität sieht der Jahresbericht bei den Immobilienkrediten – allerdings nicht in der Vergabepraxis durch die Kreditwirtschaft per se, sondern beim Instrumentarium der Finanzaufsicht. Zwar bestehen weiterhin eindeutige Überbewertungen in einigen Ballungsgebieten, wie auch die Bundesbank festgestellt hat. Angesichts der moderaten Entwicklung des gesamten Kreditvolumens und der geringen Verschuldung privater Haushalte resultierten aus der Immobilienfinanzierung aber keine akuten volkswirtschaftlichen Risiken.

Auch Sprengnetter hat im Rahmen seines ImmobilienmarktMonitorings festgestellt, dass sich der Wohnraum in städtischen Gebieten in den vergangenen Jahren mit mehr oder weniger unvermindertem Tempo verteuert hatte, während sich der Preisanstieg im Rest von Deutschland, bis auf wenige Hotspots in Bayern, insgesamt verlangsamt hatte. "Dieser Trend hat sich, beginnend in 2017 und dann im gesamten Jahr 2018, jedoch nicht mehr gezeigt. Die Preise haben flächendeckend im gesamten Bundesgebiet angezogen", so Dr. Jürgen Gante, Leiter Marktdaten bei Sprengnetter. "Es kann nicht mehr von einer Konzentration auf Städte oder Ballungszentren gesprochen werden."

Instrumentarium der Finanzaufsicht immer noch nicht ausreichend
Gefahr im Verzug sehen die Wirtschaftsweisen beim Thema Kreditbremse. Die entsprechenden Eingriffsmöglichkeiten der Finanzaufsicht bei der Kreditvergabe seien noch immer nicht ausreichend. Zwar steht der BaFin dank ihrer Kompetenzerweiterungen seit Mai 2017 im Bereich privater Wohnungsbaukredite nun ein kleiner Werkzeugkasten zur Verfügung. Dieser gelte unverständlicherweise aber nicht für die Regulierung bei Gewerbeimmobilienkrediten. Auch seien im Wohnimmobilienbereich zusätzlich einkommensbezogene Instrumente nötig.  Die Wirtschaftsweisen unterstützen damit gleichlautende Forderungen nach weiteren Eingriffsmöglichkeiten der Finanzaufsicht, wie diese u.a. auch der Ausschuss für Finanzmarktstabilität (ASF) im seinem Bericht an den Deutschen Bundestag im Juni 2018 bereits erhoben hatte.

Bessere Datenbasis für die Finanzaufsicht gefordert
Auch wirkten die vorhandenen Instrumente im Fall der Fälle zu spät. Damit rügt der Sachverständigenrat die derzeitige Monitoring-Praxis der Finanzaufsicht. Diese sei gezwungen, sich überwiegend auf Umfragedaten der Bundesbank und des ASF zu den Kreditvergabestandards der Banken zu verlassen. Diese Daten stammen überwiegend aus dem Jahr 2016. Die Sachverständigen folgern daraus, "dass eine verlässliche Einschätzung dieser Standards bei der derzeitigen Datenverfügbarkeit kaum möglich ist". Der Aufsicht lägen nur granulare Daten zu Kreditvergabestandards vor. Im Bereich der Gewerbeimmobilienfinanzierung sei die Datenlage besonders lückenhaft, kritisiert der Jahresbericht.

Für wirksame Kreditbremse auf valide Marktdaten angewiesen
Gleichzeitig seien die Risiken im Finanzsystem aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase weiter angestiegen. Insbesondere in einem Umfeld historisch niedriger Zinsen könne es auf der Suche nach Rendite zu einer Erosion von Kreditvergabestandards in Teilen des Bankensektors kommen. "Für diesen Fall sollten wirksame, gezielt einsetzbare makroprudenzielle Instrumente bereits verfügbar sein", fordern die Wirtschaftsweisen. Das sei derzeit nur in Teilen der Fall. Zur Bewertung der Finanzierungstätigkeiten durch die Finanzaufsicht seien außerdem valide Marktdaten nötig. Diese ständen der Finanzaufsicht derzeit nicht zur Vergügung. "Die Schaffung geeigneter Instrumente ist unabhängig von der aktuellen Risikolage sinnvoll", resümieren die Sachverständigen. Nun auf dieser Basis könnten Entscheidungen über den Einsatz makroprudenzieller Instrumente zuverlässig und rechtzeitig getroffen werden.

Quelle: Kapitel 7 "Immobilien", Jahresgutachten 2018/19 des Sachverständigenrats [PDF]


Frank Großer

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Auszug aus der immobilien & bewerten, Ausgabe 02/2018: "Zum Einfluss der Mietpreisbremse auf den (Berliner) Immobilienmarkt", Dr. Hans Otto Sprengnetter

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